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Amiga Collections: Auge 4000
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Auge 4000 #60 (1991-08-16)(Amiga User Gruppe Einzugsgebiet 4000).zip
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Auge 4000 #60 (1991-08-16)(Amiga User Gruppe Einzugsgebiet 4000).adf
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Die Perle
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Die Perle
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1991-11-04
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16KB
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293 lines
Die Perle
-------------
Die Schatten der Bäume umfingen mich, als ich auf dem
Rücken meines Pferdes in den Wald ritt. Die Sonne, deren
Strahlen mich in aller Frühe geweckt hatten, brannte nun-
mehr, da sie sich mit dem Nahen der Mittagsstunde im Zenit
befand, unbarmherzig auf die Erde hinab. Fast schien es,
als wollte sie das Land versengen.
Doch ich war ihrem quälenden Übermaß jetzt glücklich
entronnen und kühlte mich an den grünfeuchten Zweigen
ab, deren Blätter mich lindernd streichelten.
Ich ließ die Zügel fahren und überließ es meinem Pferd,
einen Weg durch die grüne Halle zu finden. So trottete
es gemächlich dahin, diese ungezwungene, müßige Art der
Fortbewegung genießend, bis wir schließlich auf einen
breiten Pfad gelangten, der in Windungen durch den Wald
führte. Trima, so hieß meine Stute, zögerte und blickte
schnuppernd in beide Richtungen. Mit einem leichten Zügel-
schlag lenkte ich sie nach links.
Wir folgten dem Pfad eine ganze Weile. Einige schmalere
Abzweige, die sich zu beiden Seiten auftaten, ließen wir
außer Acht. Schließlich erreichten wir das Ufer eines
Sees, der mitten im Wald lag. Auf allen Seiten von hohen
Fichten und Lärchen, dazwischen auch ab und an eine Birke
oder ein Ahorn, umgeben, war er zwar groß, doch recht seicht.
Nur in der Mitte würde man gezwungen sein zu schwimmen.
Ich ließ das Pferd anhalten und glitt aus dem Sattel.
Schnell riß ich die Stiefel von den Füßen und rannte
ins Wasser. Aah, welch ein Labsal! Dies zu genießen,
ließ ich miir viel Zeit. Dann erfrischte ich mein Gesicht
mit dem kühlen Wasser, zog die Stiefel wieder an und
bestieg erneut mein Pferd.
Auch Trima hatte sich gelabt, so trabte sie munter wieder
los. Ein Vogel schrie hoch in einem Baum. "Kiiah, kiiah,
kih". Es war der Ruf eines Härenervogels. Ich blickte zu
den Wipfeln der Bäume hinauf. Richtig, dort saß er, hoch
in einer Lärche, uns schrie sein Lied in den Himmel.
Mit einem letzten "Kiiah" schwang er sich dann von dem
Ast, an den er sich zuvor geklammert hatte, und breitete
seine Flügel aus, deren braunne, sonnendurchglänzte Farbe
bernsteinartig leuchtete. Das Schwanzgefieder anmutig zu
einem fast vollkommenen Halbkreis gespreizt, den langen,
spitzen Schnabel weit vorgereckt, so glitt er über den
See hinweg und verschwand hinter den Bäumen am gegenüber-
liegenden Ufer.
Lange starrte ich sinnend, dösend die Linie der Bäume
über dem Wasser an. Da ließ mich das noch ferne Geräusch
eines trabenden Pferdes aufhorchen, riß mich aus dem
Gedanken. Ich blickte den Pfad entlang in die Richtung,
aus der ich zuvor gekommen war. Da sah ich zwischen den
Bäumen etwas Weißes aufleuchten. Es war ein schneeweißes
Pferd, einen ebenfalls weißen Reiter tragend. Nun, da er
näher kam, sah ich, daß der Reiter auf ihm vielmehr eine
Reiterin war, in flatternde weiße Kleider gehüllt.
Als sie meiner ansichtig wurde, verlangsamte sie den
Schritt ihres Pferdes, blieb aber auf den Weg.
Nie zuvor in meinem Leben hatte ich derartige Schönheit
gesehen. Die Reiterin mochte wohl erst fünfzehn oder
sechzehn Jahre zählen, dennoch aber verzauberte ihre Er-
scheinung mich. Ihr braunes Haar schimmerte, als das Sonnen-
licht darauf fiel, wie Bernstein, wie das Gefieder des
Vogels. Ihre Kleider flossen in das Fell ihres Schimmels
über, es war kein Unterschied in der Farbgebung zu erkennen.
Der Sattel ihres Pferdes war, ebenso wie das Zaumzeug,
aus hellbraunen Leder, einfach aber kunstvoll gefertigt.
Ich blickte auf ihr Gesicht, wollte sie begrüßen, doch
brachte ich kein Wort über die Lippen. Sie lächelte mir
zu. Ihre nur leicht, fast schüchtern geschwungenen Lippen
gaben einen Augenblick lang zwei Reihen ebenförmiger,
weißer Zähne frei. Wie freie, wilde Pferde, die über eine
Ebene roten Sandes galoppieren. Der Teint ihres Gesichtes,
in das ihr Lächeln zwei Grübchen gesenkt hatte, war samten.
Trotz der sommerlichen Jahreszeit war nur ein Anflug von
Bräune zu erkennen. Auch ihre Augen waren hellbraun.
"Einen wunderschönen Guten Tag, schönes Mädchen!... Wenn
Sie gestatten, daß ich Sie so nenne."
Bei dieser Begrüßung verbeugte ich mich tief im Sattel,
so tief halt wie es ging, ohne dabei vom Pferd zu fallen.
Den Kopf zum Pferderücken geneigt, bemühte ich mich innig,
die in mein Gesicht huschende Röte wieder zu vertreiben.
"Einen wunderschönen Tag auch Euch, edler fremder Herr, "
sagte sie, leise lachend, mit einer hohen feinen Stimme,
" Und es ist in der Tat ein göttlicher Tag, findet Ihr
nicht auch ? "
" Ja, wirklich, ein wunderschöner Tag! " entgegnete ich.
Die Röte konnte ich verbergen, jedoch das Zittern meiner
Stimme nicht. " Ich glaube, ich habe nie zuvor in meinem
Leben einen schöneren Tag erlebt. Sagt, schönes Mädchen,
welches ist Euer werter Name, und woher kommt Ihr ? "
" Gern sollt's Ihr erfahren! " rief sie freudig aus.
" Ich bin Fateh, Tochter des Schicksalsschmieds aus
Jenerrheim, und ich reite aus, meine Tante zu besuchen,
die jenseits des Flusses wohnt."
" Dann lasset mich Euch doch ein kurzes Stück begleiten.
Wir können unterwegs ein wenig plaudern . "
" Ach nein, edler fremder Herr! Es tut mir leid, ich
hab keine Zeit mehr und muß mich sputen. Als dann,
lebet wohl! " Mit diesen Worten trieb sie ihr Pferd an
und galoppierte an mir vorbei, den Weg hinunter.
Ich war baß erstaunt und sah ihr offenen Mundes nach.
" Halt ! So wartet doch ! " wollte ich ihr hinterherrufen,
doch kein Laut kam über meine Lippen. Erst als sie schon
um die nächste Wegbiegung verschwunden war, spornte ich
mein Pferd an und jagte ihr hinterher.
An der Biegung angelangt, konnte ich sie nirgends mehr
sehen, sie war wohl schon hinter der nächsten Biegung,
gute 100 Schritt vo mir, und so hetzte ich weiter.
Doch ich fand sie nicht mehr, wenngleich ich auch durch
den halben Wald ritt. Schließlich führte mich der Weg
aus dem Wald hinaus, in offenes Land. Ich hielt an. Vor
mir dehnte sich die Ebene aus, nur von wenigen Busch-
und Baumgruppen unterbrochen. Doch von dem Mädchen war
nichts zu sehen. Meine Augen schweiften vom Waldrand
suchend bis hin zu dem großen Fluß, der sich in weiter
Ferne durchs Gras schlängelte, im Sonnenlicht silbern
funkelnd.
Da, beim Fluß ! Dort bewegte sich etwas, wenngleich ich
noch nicht sagen konnte, was es war. Es schienen mehrere
Reiter zu sein, dunkle Flecken im Grün. Das Mädchen jeden-
falls war es nicht. Aber immerhin konnte ich die Reiter ja
fragen, ob sie das Mädchen vielleicht gesehen hatten.
Also beschloß ich, sie näherkommen zu lassen.
Ich wartete also, und langsam kamen mit Bedenken, als
ich die Gestalten betrachtete. Es waren ihrer drei,
stämmige Gesellen mit wilden Haaren und düsterem Bart.
In den breiten Gürteln, die ein jeder um sein Lederwams
geschlungen hatte, blitzten lange Messer, von den Sätteln
hingen Bögen und Köcher mit Pfeilen herab.
Unsicher fragte ich mich, ob es weise wäre, gerade diese
Herrschaften nach dem jungen Mädchen zu fragen, oder ob
ich besser ihre Gesellschaft meiden sollte und mich
stattdessen auf den Heimweg machen.
Die Antwort auf meine Frage kam von den finsteren
Gesellen. Einer von ihnen nahm, ohne den Lauf seines
Pferdes zu verlangsamen, den Bogen vom Sattel, spannte
einen Pfeil auf die Sehne und schoß nach mir. Der Pfeil
flog zwar noch über mein Haupt in die Bäume, doch dies
reichte mir als Warnung. Ich riß mein Pferd herum und
stob davon, zurück in den Wald.
Darauf hatten die drei anscheinend nur gewartet. Johlend
gaben sie ihren Pferden die Sporen und jagten mir nach.
Verzweifelt versuchte ich, ihnen zu entrinnen, hoffte
nach jeder Wegbiegung, daß sie die Verfolgung aufgegeben
hätten, doch stets waren sie wieder hinter mir. Und sie
kamen beständig näher !
Da war der See wieder, zu meiner Rechten. Doch es war
noch weit bis zu meinem Dorf. Zu weit, denn hinter mir
konnte ich schon das Keuchen ihrer Pferde hören. Bald
würden sie mich eingeholt haben.
Da erschrak mein Pferd und bäumte sich auf.
Ich konnte mich nicht mehr halten und fiel kopfüber in
den Sand am Ufer des Sees. Völlig benommen, versuchte
ich, mich wieder aufzurappeln und zu verstecken, doch es
gelang mir nicht. Ich kam nicht mehr hoch, ich schaffte
es nicht mehr aufzustehen !
Ich hielt den Atem an, ängstlich darauf wartend, den kalten
Stahl der Räubermesser in mein Lebensfleisch schneiden zu
spüren. Da fühlte ich mich plötzlich in den Sand gedrückt.
Meine Lungen wurden zusammengepresst, so daß ich nicht mehr
zu atmen vermochte, das Tageslicht schwand und an seiner
Statt umgab mich völlige Schwärze, undurchdringlich.
Ich begriff nicht, was mit mir geschah. Mir war, als hätte
mich jemand in einen engen Panzer gezwängt und in ein
dunkles Verlies gesperrrt. Doch wo waren die Räuber ? Was
war geschehen ?
Wie lange ich mich in diesem Zustand befand weiß ich
nicht, ich hatte jedes Gefühl für die Zeit verloren. Ich
atmete nicht mehr, und doch lebte ich ! Ich konnte mich
nicht mehr bewegen, und doch spürte ich etwas, fühlte
meine Umgebeung !
Irgendwann zerrissen dann die Nebel der Zeitlosigkeit.
Mein Panzer wurde hochgerissen und hin und her gewälzt.
Hilflos mußte ich alles über mich ergehen lassen. Dann
wurde es wieder ruhig und etwas betastete meinen Panzer
von allen Seiten.
Schmerzgepeinigt schrie ich auf, als versucht wurde,
meinen Panzer zu zerbrechen. Große, unsichtbare Kräfte
zerrten, drückten und preßten meine unbekannte Hülle.
Knirschend und knackend gab sie nach und mein Körper
wurde auseinandergerissen. Knochen zersprangen, Sehnen
rissen und Muskelfasern spleißten sich auf wie sprödes
Tau.
Dann öffnete sich die Schale und grelles Sonnenlicht
flutete herein und blendete mich. Schwadigweiß in der
Mitte, zerfloß es nach außen hin in bunte Regenbogen-
farben und ließ alles andere ringsum verschwinden,
zu Nichts zerfließen, versickern.
Eine hellbraune, schwabbelige Masse drang durch das
Licht und schien nach meinem Herzen greifen zu wollen.
Ich geriet in Panik ! Das durfte nicht sein ! Gab es
denn nichts, was ich tun konnte ? Hilflos sah ich zu,
wie aus dieser unförmigen Masse schlanke, feingliedrige
Finger hervorzuckten und mir das Herz aus dem Leib
rissen.
Der Häenervogel, der über dem See kreiste, blickte
auf das Mädchen hinab, das dort am Ufer kniete. Neben
ihr lag im aufgewühlten Sand eine geöffnete Muschel.
Auf ihrer Handfläche blitzte silberblau eine große
Perle.
( Jupratramals Traum )
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* Autoren : Hans-Werner Hennes Helsinkistr.33 2820 Bremen 77 *
* Frank Brandt Burgdammer Ring 4 2820 Bremen 77 *
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* Folgende Geschichten/Gedichte sind erschienen (!) oder erscheinen noch: *
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* (!) Vorwort der Übersetzer (!) Gedicht eines Übersetzers *
* Land jenseits *
* ( ) Die Falle *
* (!) Die Perle (!) Die Burg *
* (!) Mondnacht (!) Kijam aedam / Die gefleckte Wölfin *
* (!) Die Büste (!) Das Mädchen und die Taube *
* ( ) Herr des Windes (!) Birkaisueva *
* (!) Tiefer See (!) Die Spur im Schnee *
* ( ) Das Kästchen (!) Am Hofe des Königs *
* (!) Fenars Reise zur Eiskönigin *
* ( ) Heimkehr aus der Fremde *
* ( ) Drei Gespräche über das Recht *
* ( ) Der Pfad *
* ( ) Der Leguan von Tros *
* ( ) Der reiche Kaufmann *
* ( ) Der Lehrling des Zauberers *
* ( ) Eis und Feuer *
* ( ) Der Baum war der einzige, stumme Zeuge *
* ( ) Der Raub des heiligen Pulvers aus der Weihstatt von Göns *
* ( ) Die Glocke von Tenoar *
* ( ) Die Beschwörung des Finstermondes *
* ( ) Schrecken in der Nacht *
* ( ) Der Adler der zerklüfteten Berge *
* ( ) Traum *
* ( ) Farn *
* ( ) Wispern am Fluß *
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